
Wofür lebst du?
Wofür willst du leben? Warum stehst du jeden morgen auf? Was hält dich davon ab jetzt gleich vor einen Zug zu springen?
Jeder Mensch braucht irgendeinen Grund frühs aufzustehen. Ich hatte eine Phase in meinem Leben, in der ich sehr von Alpträumen geplagt war und deshalb nachts oft dachte: "Hoffentlich ist die Nacht bald rum!". Doch sehr schnell fiel mir auf, dass ich auf den Tag auch nicht viel mehr Lust hatte. Wenn aber der Tag genauso abturnend ist, wie eine Nacht voller Alpträume, dann stellt sich irgendwann die Frage: "Warum stehe ich eigentlich noch auf? Warum bleibe ich nicht einfach im Bett liegen und warte darauf zu verhungern oder zu verdursten?".
Für manche Menschen ist diese Frage leicht zu beantworten. Doch entscheidend ist nicht nur, dass du eine Antwort hast, sondern auf welche.
Ein Beispiel:
Eine Mutter von 2 Kindern, hat einen liebenden Ehemann und ist den ganzen Tag daheim als Hausfrau. Für alle ist klar, dass ihr Sinn im Leben ihre Familie ist und sie genau dafür frühs aufsteht. Auch sie denkt das. Doch irgendwann fällt es ihr immer schwerer sich aufzuraffen, sie steht nicht mehr auf, die Kinder bleiben auf der Strecke und ihr Mann ist wütend.
"Warum kümmerst du dich nicht um die Kinder und den Haushalt? Das ist dein JOB!"
Da fällt ihr auf: Ja, es ist ihr "Job" sich um Kinder und Haushalt zu kümmern, doch sie sieht keinen Sinn darin.
Ein anderes Beispiel, dass das Problem des vorherigen deutlich macht:
Der Mann dieser Frau geht arbeiten. Er hat eine 40 Stunden Woche als Elektriker in einer großen Firma. Der Job ist sicher, Festvertrag, gute Bezahlung, tolle Kollegen.
Doch nun ist es umgekehrt. Die Frau macht mit Freude ihren Job als Hausfrau, doch er liegt eines Abends neben ihr im Bett und sagt:
"Elektriker sein will ich nicht mehr! Ich werde Florist."
Doch seine Frau sagt:
"Das geht nicht, du hast einen sicheren job und gutes Gehalt! Wir brauchen das Geld! Du musst diese Familie ernähren!"
Also gibt er nach, denn er denkt:
"Sie hat ja recht. Es ist meine Aufgabe diese Familie zu ernähren!"
Doch er wird immer schlechter in seinem Job, die Kollegen sind genervt, weil er immer mehr Fehler macht und umso genervter ist auch er. Irgendwann kommt sein Chef zu ihm und sagt:
"Du baust nur noch Scheiße! Mach endlich deinen Job ordentlich oder du fliegst!"
Beide haben das gleiche Problem. Sie lassen sich von anderen Menschen sagen, was ihr Sinn im Leben zu sein hat. Die Frau steht jeden Morgen auf, weil ihr Job die Kinder und der Haushalt sind. Der Mann geht zu einem Job auf den er keine Lust hat, weil es seine Aufgabe ist die Familie zu ernähren. Doch wollen, tun sie das beide nicht.
Natürlich ist es für den Anderen unbequem sein Leben zu ändern, nur weil du auf die Idee kommst, dass du das was du seit 10 Jahren machst plötzlich nicht mehr willst. Manche werden den Weg nicht mit dir gehen und sagen: "Dieses Leben will ich nicht! Ich will mich nicht verändern!". Denn so könnte es ja zum Beispiel sein, dass der Mann mehr im Haushalt machen muss oder Abends die Kinder betreuen muss, weil seine Frau sich entscheidet arbeiten zu gehen. Oder die Frau muss arbeiten gehen, weil der Mann sich entscheidet Florist zu werden und in der Ausbildung sonst das Geld nicht reicht oder er in diesem Job weniger verdient als in seinem alten. Und ja, vielleicht wollen sie das nicht. Die Frau sagt: "Nein, ich gehe nicht arbeiten, denn das ist nicht mein Sinn im Leben!" oder der Mann sagt: "Ich beteilige mich nicht an Haushalt und Kinderbetreuung, denn das ist nicht meine Aufgabe!". Dann müssen sie getrennte Wege gehen und sich einen Menschen suchen, der ihr Leben teilen will. Doch nicht immer ist es der Partner oder die Freunde, der die eigenen Lebenseinstellung nicht teilt. Wie oft sagen die Eltern: "Du hast einen sicheren Job, gib den nicht auf!" oder "Bleib daheim bei den Kindern, dein Mann versorgt euch doch!". Dann kann man natürlich nicht einfach gehen oder sie aus seinem Leben streichen.
Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass ihr in eurem Leben niemals glücklich sein werdet, wenn ihr nur das tut, was andere Menschen von euch erwarten.
Nicht immer ist es jedoch so, dass du merkst, dass dich das, was du den ganzen Tag tust nicht ausfüllt und du dann unglücklich oder gar depressiv wirst. Manchmal haben Menschen eine jahrelange Depression und erst nach vielen Jahren fällt ihnen auf, dass sie nichts tun, was ihnen Freude bereitet. Klar raubt einem eine Depression auch die Freude an Dingen, die einem früher Spaß gemacht haben. Doch wenn man schon an der Frage scheitert, was einem früher Spaß gemacht hat, dann hat man ziemlich lange etwas ziemlich falsch gemacht.
Die erste Frage ist also: Was hat dir früher Spaß gemacht? Was wolltest du schon immer tun? Was war als Kind dein Traum, der nie ganz weggegangen ist? Klar: nicht jeden Traum kann man bedingungslos und vollständig erfüllen. Aber es gibt sicher eine Kernessenz. Das Wichtigste. Was erscheint dir daran am erstebenswertesten?
Persönliches Beispiel:
Ich habe immer davon geträumt auf einem Bauernhof zu leben, mit vielen Tieren, meinem Mann und zwei Kindern. Neben dem Bauernhof wollte ich einen selbständigen Job haben bei dem ich der Welt helfen kann.
Das Problem: Jeder der Leute kennt, die in der Landwirtschaft tätig sind oder es selbst ist weiß: ein Bauernhof ist sau viel Arbeit, ABER er erwitschaftet wenig bis keinen Gewinn. Das heißt, ja: mit einem Bauernhof braucht man einen Job oder einen reichen Ehemann. Aber man hat keine Zeit für einen Job, denn ein Bauernhof mit vielen Tieren erfordert viel Zeit und Kraft. Selbständigkeit selbst ist auch immer eine risikoreiche Sache. Man kann Erfolg haben oder bankrott gehen. Und die Welt retten ist auch nicht gerade ein Teilzeit Job. Was ist also das, was ich aus diesem Traum extrahieren kann, damit der Sinn für mich erhalten bleibt? Der Wunsch nach dem Bauernhof entstand aus dem Wunsch heraus ein Pferd zu besitzen und etwas mit Tieren zu tun zu haben. Die Selbständigkeit ist erstrebenswert, aber nebensächlich - zumal sie auch im Nachhinein noch aufgebaut werden kann. Die Welt zu retten kann tausend Aufgaben beinhalten. Ich weiß jedoch: ich bin kein Greenpeace Aktivist! Eher werde ich Klemptner als hauptberufliche Umweltaktivistin! Ich hätte wahrscheinlich Spaß daran in einem Tierschutzreservat zu arbeiten, doch ich vertrete die Meinung: Das Problem der Tiere sind nicht die Tiere. Ebenso wenig ist das Problem der Natur die Natur. Das Problem sind die Menschen. Also entweder schütze ich Tiere und Umwelt und werde Auftragskiller - womit sich dann sicher auch der Bauernhof finanzieren lassen würde - oder ich helfe den Menschen. Ich helfe den Menschen zu erkennen, was sie sich selbst und den Tieren antun, indem ich den Spieß umdrehe: Ich bringe nicht Menschen dazu den Tieren zu helfen, sondern ich nutze die Tiere dazu den Menschen zu helfen.
Das Gleiche kannst du mit jedem Traum machen. Du willst eine Weltreise machen, hast aber weder die Zeit noch das Geld? Mach sie nicht auf einmal. Welche Orte sind dir am Wichtigsten? Welche davon kann man gut in einem Urlaub von sagen wir zwei Wochen verbinden? Du hast aktuell keinen Job? Gut! Mach ein Auslandsjahr als Au-Pair oder heuer auf einem Schiff als Zimmermädchen an!
Womit wir auch schon beim nächsten Punkt wären, denn vielleicht denkst du: "Ich will die Welt sehen und nicht Babysitten oder Hotelbetten machen!" Ja,ich bin mir sicher, das ist nicht dein Hauptziel. Wenn eine Frau sich dazu entscheidet Hausfrau und Mutter zu werden, dann ist der wichtigste Part ihres Traumes sicher nicht Wäsche zu waschen und Windeln zu wechseln. Aber wenn sie einen Sinn darin findet Mutter zu sein und keinen andern Job zu haben, dann macht es auch einen Sinn die unangenehmen Aufgaben zu tun.
Die wenigsten Menschen stehen frühs auf und denken sich: "Geil, Abwasch!" oder "Boah super, um 4 Uhr aufstehen." Menschen, die einen Sinn in dem sehen, was sie täglich tun, tun es aber trotzdem. Warum? Weil sie es tun müssen um das tun zu können was sie lieben. Du liebst es Bäcker zu sein, aber hasst es um 3 Uhr nachts aufzustehen? Was ist schlimmer: Aufstehen oder ein 9 to 5 Job im Büro?
Wenn du dich also fragts: Warum tue ich das alles hier eigentlich, dann frage dich immer: Was davon mache ich gerne und was mache ich, damit ich das, was ich gern mache tun kann? Was sind meine Alternativen? Abwaschen ist schlimmer als hungern? Ok. Wäsche waschen ist schlimmer als nackt zur Arbeit zu gehen? Gut, viel Spaß! Windeln wechseln ist schlimmer als deine Kinder ins Heim zu geben? Nun... wenn du meinst.
Wenn du nämlich anfängst dich immer zu fragen: Was sind meine Alternativen, wenn ich das jetzt nicht tue? Was sind die Spätfolgen? Also nicht nur heute und morgen, sondern was für Auswirkungen hat das in 3 Jahren? Dann kommt ihr irgendwann dazu, dass ihr auch in den Dingen, die euch keinen Spaß machen einen Sinn seht, weil ihr wisst, wofür ihr sie tut.
Ich zum Beispiel bin momentan (seit etwa 3 Jahren) arbeitsunfähig und seit etwa 2 Jahren berentet. Also saß ich jeden Tag daheim und habe mich an andere Menschen geklammert. Irgendwann hatte ich das Gefühl in einem ewigen Wartezimmer zu sitzen und immer nur darauf zu warten, das jemand mit mir spielt.
Erst war es meine Mutter, dann Freunde, dann mein Vater und jetzt mein Verlobter.
Vor etwa einem Jahr habe ich mir eine Reitbeteiligung gesucht um wenigstens ein bisschen menschenunabhängigen Sinn in meinem Leben zu haben. Das hat auch funktioniert.
Mittlerweile bin ich etwa 3 - 4 Mal in der Woche für je 3 Stunden am Stall (mal mehr mal weniger). Wenn es mir schwer fällt mich zu motivieren um 7 Uhr aufzustehen um an den Stall zu fahren, dann schaue ich Videos über Training mit Pferden um mir wieder klar zu machen, was ich will. Und jedes Mal, wenn ich mit Sophie (dem Pferd) Fortschritte mache bin ich den ganzen Tag gut gelaunt vor Freude.
Trotzdem ist und bleibt die Reitbeteiligung ein Hobby. Ebenso die Ausflüge, die wir jedes Wochenende machen. Es ist wunderschön und genau das, was ich in dem Moment will, aber eben nicht das, womit ich mein ganzes Leben verbringen will.
Denn egal wie viele Fortschritte ich mit meiner Reitbeteiligung mache, das Ganze macht wenig Sinn, wenn ich weiß, dass ich selbst für mich und meine Ziele nie weiterkomme.
Ich bin keine Hausfrau!
Ja, auch Mutter sein hat einen Sinn und nichts wünsche ich mir mehr.
Doch nur Mutter sein? Das kann ich nicht!
Ich habe 3 Jahre in der Pflege gearbeitet und der nervigste Teil war der Feierabend - vorallem in der Zeit, in der ich ehrenamtlich auf der Demenzstation gearbeitet habe und selbst einteilen konnte wann ich was machen will.
Manchmal war ich 10 Stunden am Tag dort, weil ich so viel Spaß hatte, dass ich nicht aufhören wollte. Doch als mich das gleiche Heim in der Ausbildung gekündigt hat, weil ich drei Wochen krank war, habe ich der sozialen Arbeit, die ich mehr liebte als alles andere, den Rücken gekehrt und meinen Stolz gewahrt. Denn ich wusste: an einem Ort an dem meine leidenschaftliche und gute Arbeit nicht mal 300€ Lehrlingsgehalt wert ist, kann ich nicht bleiben. Ich wollte nie etwas anderes tun, als in der Pflege zu arbeiten, doch danach war ich so gekränkt, dass ich sagte, wenn ich wieder arbeite gehe ich ins Büro und mache dort mein eigenes Ding. Das was mich ausgemacht hat wollte ich plötzlich nicht mehr tun. Plötzlich war es ok daheim zu sitzen und als ich Dr. D. kennenlernte war ich auch ziemlich schnell damit einverstanden später mal daheim bei den Kindern zu bleiben. Dazu kommt meine Essstörung. Ich musste 3 Ausbildungen abbrechen, weil ich krank war und ja, es hat sich gezeigt, dass es in der Vergangenheit nicht gut gegangen ist, wenn ich sagte ich muss wieder arbeiten gehen um gesund zu werden. Klar sagen jetzt alle ich muss mich erst um mich kümmern, bevor ich wieder eine Ausbildung anfangen kann - schließlich bringt es mich auch nicht weiter jetzt noch eine Ausbildung abzubrechen. Das verstehe ich und ich akzeptiere es auch. Für jetzt. Denn ich weiß auch, dass ich so viel weiter in meiner Genesung bin als noch vor 3 Jahren. In diesen 3 Jahren, habe ich erkannt, dass ich anfangen muss Verantwortung für mich zu übernehmen um gesund zu werden, ich habe Ziele erarbeitet, für die ich gesund werden will und ich habe angefangen sie umzusetzen. Jetzt habe ich eine Reitbeteiligung, bin verlobt und esse relativ regelmäßig - auch ohne Hunger und Lust auf Essen. Ich habe so viel geändert, was mich von einer Ausbildung abgehalten hat und trotzdem sitze ich daheim. Und das Problem ist nicht die Langeweile. Mir müsste nicht langweilig sein ich könnte tausend Dinge tun. Lesen, spazieren gehen, Haushalt, kochen, backen, basteln, reiten, fernsehen, diesen Blog schreiben, bla, bla, bla. Nur hat das für mich alles wenig Sinn. Klar ist es wichtig mir Zeit für mich zu nehmen um mich mit einem guten Buch, selbstgemachtem Eistee, Kerzen und Süßigkeiten in die Wanne (die das Becken unserer Dusche ist) zu setzen und mich zu entspannen. Aber nicht 7 Tage die Woche! Klar muss der Abwasch und die Wäsche gemacht werden und glaubt mir, ich weiß auch sehr genau den Sinn im kochen, vor Allem für mich. Das ändert nur nichts daran, dass es mich nicht ausfüllt. Weil ich all die Dinge tue, die getan werden müssen ohne wirklich was zu haben für das ich aufstehe. Momentan stehe ich dafür auf so gesund zu werden und mir und allen Anderen zu beweisen, dass ich genug Kraft für mehr habe.